Herr K. P. schreibt: Ein Parkinson-Syndrom kann ja durch eine Reihe von Faktoren und Erkrankungen ausgelöst werden wie z.B. Hirntumoren, Hirnverletzungen nach schweren Unfällen auch häufige kleine Schlaganfälle, wenn es nicht wie bei den Jüngeren erblich bedingt ist oder durch Medikamente ausgelöst wird. Soweit habe ich es verstanden. Ich bin 52 Jahre alt und habe seit sieben Jahren Parkinson, war beim Auftreten der ersten Anzeichen erst 45 Jahre alt. In meiner Familie gibt es keinen weiteren Parkinson-Fall. Ich habe in der Gummiverarbeitung gearbeitet, die Belüftung war nicht gut und wir sind damals alle oft mit Kopfschmerzen heim gegangen, aber eine eigentliche Vergiftung kann ich mich nicht erinnern. Kann mein Parkinson durch Giftstoffe hervorgerufen worden sein?
Dr. Volc antwortet: Gifte, die in das Gehirn eindringen und es schädigen können, führen auch zur Parkinson- Erkrankung. Eine Reihe von Industrie- und Umweltgiften ist dafür bekannt, Parkinson auszulösen. In der Gummi-Industrie kommt am ehesten eines der Entfettungsmittel oder eine Benzolverbindung in Frage. Ich habe aber einige der typischen und eine außergewöhnliche Vergiftung hier zusammengetragen. Sehr häufig ist die CO (Kohlenmonoxid)-Vergiftung. CO oder Rauchgas entsteht bei der unvollständigen Verbrennung organischen Materials (Holz, Kohle, Öl, Benzin). CO ist farb-, geruch- und geschmacklos, wir können es mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen. Hier liegt ein Teil der besonderen Gefahr, die von diesem hochgradig giftigen Gas ausgeht. Unsachgemäßer Betrieb von Hausbrandöfen ist noch immer die Hauptursache und die Zahlen sind erschreckend. Die CO-Vergiftung hinterlässt manchmal typische Veränderungen in den Stammganglien, jenen Hirnregionen, deren Schädigung für Parkinson verantwortlich ist. Weitere Umwelt-Schadstoffe sind Mangan (früher als Desinfektionsmittel, Bergbau, Eisenverarbeitung), Zyanide und Halogenwasserstoffe (in der chemischen Industrie), Schwermetalle wie Blei und Quecksilber, Lösungsmittel und bestimmte Pestizide und Unkrautvernichtungsmittel (Paraquat, Diquat). Diese reichern sich auch im Boden und im Wasser an. Gefährdet sind Berufsgruppen, die in der Kultivierung ihrer Pflanzen Spritzmittel verwenden. Heute ist Paraquat für den Großeinsatz beispielsweise im Weinbau verboten. Sicherheitsmaßnahmen (Schutzmaske) waren vor mehr als 15 Jahren auch noch nicht üblich. Das ist aber eine wahrscheinliche Zeit, die die Vergiftung braucht, um als Parkinson- Syndrom manifest zu werden. Das Brunnenwasser ist häufig mit Schwermetallen belastet. Die Pestizide, die in Frage kommen, sind in der chemischen Struktur dem MPTP ähnlich. Die Chemikalie MPTP kann ein Parkinson- Syndrom auslösen. Diese Vergiftung trat in den 80er Jahren bei Drogenabhängigen in den USA auf, die verunreinigtes Heroin genommen hatten. Fragen über einen möglichen Kontakt zu giftigen Substanzen gehören daher zu den Standardfragen, die der Arzt einem Patienten mit Parkinson-Syndrom stellen muss.
TaClo, Tri und Tetra. Tri (Trichloräthylen) ist ein in der Metallentfettung und in chemischen Reinigungen häufig verwendetes Lösungsmittel. Es reagiert mit Tyramin (körpereigenes Eiweiß) zu einem TaClo genannten Molekül. Das beeinflusst ein Enzymsystem im Gehirn (und in der Leber), was zur Auslösung eines Parkinsonsyndroms führen kann. Die jüngste vergiftete Parkinsonpatientin war 8 Jahre alt. Tetra oder Perc (Tetrachloräthylen = Perchloräthylen) wird als Metallentfettungsmittel eingesetzt und auch als Reinigungsmittel in der Trockenreinigung.
Mangan-Vergiftung. Muskelschwund mit Gangstörungen und typische Parkinsonsymptome sind Zeichen einer chronischen Manganvergiftung. Die kann vor allem bei Elektroschweißern, bei Arbeitern der Eisenindustrie, bei Bergarbeitern, die Braunstein gewinnen, und bei Angestellten der Farben- und Batterienherstellung auftreten. Auch Konzentrationsschwäche, Lernschwierigkeiten, Teilnahmslosigkeit, Wesensveränderungen und Halluzinationen werden bei der chronischen Manganvergiftung beschrieben.
Zyanid. Entsteht als Verbrennungsrückstand bei Plastikverbrennung, industriell wird es in der Papierindustrie, Metallverarbeitung und früher in der Fotoentwicklung benutzt.
Die unter Verdacht stehenden Umweltgifte konnten jedoch bisher nicht als alleinige Auslöser einer Parkinson-Krankheit identifiziert werden, da andere Personenkreise, die diesen Stoffen ebenfalls ausgesetzt waren, nicht ebenso häufig an Parkinson erkrankt sind. Für Umwelteinflüsse gilt daher am ehesten wie für andere mögliche Ursachen, dass das Zusammentreffen mehrerer Faktoren die Krankheit zum Ausbruch bringt, wobei auch vermehrt eine genetische Veranlagung angenommen wird.
Zum Abschluss noch eine Skurrilität, die aber vielleicht über andere „gesunde“ Produkte zum Nachdenken anregen kann: Die Frucht Soursop (Französisch Corosol, Spanisch Guanábana, Portugiesisch Graviola, und mit Lateinischem Namen Annona muricata) ist die Frucht einer immergrünen Pflanze in Mexico, Mittel- und nördlichem Südamerika und ist in der Karibik sehr verbreitet. Sie wird aber auf den Philippinen auch künstlich angebaut. Der Geschmack ist eine Mischung aus Erdbeere und Ananas mit einem Zitrus- Beigeschmack, hat aber auch Anklänge an Kokos und Banane. Also die ideale Tropenfrucht. Roh ist die Frucht schwer zu essen, weil die großen Samen im Weg sind und das Fruchtfleisch in mehreren Taschen mit festen Wänden sitzt. Daher wird die Frucht zu Fruchtsaft verpresst und auch als Basis in der Eisherstellung in den genannten Ländern verwendet. Auf der karibischen Insel Guadeloupe ist nun aufgefallen, dass von 161 untersuchten Parkinsonpatienten ungewöhnliche 2/3 relativ jung waren und einen atypischen Verlauf hatten. Um es kurz zu machen, der giftige Inhaltsstoff Annonazin schädigt jene Zellen im Gehirn, deren Verlust Parkinson bedingt.