Narrative Medizin = Medizin in gleicher Augenhöhe oder Sprechende Medizin ist ein Schlagwort im Rahmen der aktuellen Gesundheitspolitik und beschreibt den Anteil der Behandlung von Patienten „durch heilende Worte“ (Sokrates). Worte haben einen starken Einfluss auf den Menschen. Im positiven Fall können Worte heilen und die Gesundung fördern. Im negativen Fall können sie kränken, verletzen, psychosomatische Beschwerden hervorrufen oder traumatisieren. Die „Sprechende Medizin“ (Narrative-based Medicine) ist eine wesentliche Ergänzung der „Apparatemedizin“ vor dem Hintergrund Evidenzbasierter Medizin (Beweisgestützter Heilkunde). Durch den Mangel an von Krankenkassen finanziertem Zeitaufwand für zwischenmenschlichen Kontakt und heilsame Worte in der Arzt-Patient-Begegnung stellt dieser Bereich ein aktuelles Problem in der Gesundheitspolitik dar.
Narrative Medizin als Ansatz für eine ganzheitliche Patientenbetreuung.
Erst die über die primäre Aufklärung hinausgehende Information und der Erfahrungsaustausch in der Selbsthilfe, d.h. das Gespräch in der Gruppe und die Miteinbeziehung dieses Erfahrungswissens von Betroffenen und Angehörigen in das Patient-Arzt-Gespräch gibt allen die nötige Kompetenz um in gleicher Augenhöhe miteinander sprechen beziehungsweise um beiderseitige, auch persönliche Probleme besprechen zu können.
Um die Rolle der Selbsthilfe dabei zu verstehen und zu unterstreichen, möchte ich kurz die Geschichte und die Aufgaben der Selbsthilfe beleuchten.
Geschichte der Selbsthilfe •Die Selbsthilfe heutiger Form hat ihre Vorläufer in den Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts, insbesondere der Frauen- und Jugendbewegung. Es wurden zahlreiche Vereine und Organisationen gegründet, die einen weitgehend freien Austausch von Gleichgesinnten ermöglichten und unter deren Deckmantel auch gesundheitsorientierte Selbsthilfe stattfand. •Erst nach den sozialen Umwälzungen der 1960ern war offene Selbsthilfe im heutigen Verständnis möglich. Sie setzt voraus, dass sich Menschen öffentlich zu ihrem Problem bekennen können, ohne gesellschaftliche oder strafrechtliche Sanktionen zu befürchten. So hatten etwa Homosexuelle bis 1968/69 strafrechtliche Verfolgung nach §175 zu befürchten. Suchterkrankungen wurden erstmals als Krankheiten und nicht nur als moralischer Mangel verstanden. Gleichzeitig entstand ein neuer Gesundheitsbegriff, der eine aktive, eigenverantwortliche Rolle des mündigen Patienten fördert. Es wird auf Eigeninitiative gesetzt.
Wie kommt es zum mündigen Patienten? Was trägt die Selbsthilfe dazu bei?
Vorerst: Was versteht man unter einer Selbsthilfegruppe? (PAG) Selbsthilfegruppen sind definiert als freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen auf regionaler Ebene, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten oder sozialen Belastungen richten, von denen sie entweder selbst oder als Angehöriger betroffen sind. Die Selbsthilfegruppen-Mitglieder treffen sich regelmäßig ein- oder mehrmals im Monat. Die Treffen finden in einem geschützten Umfeld statt, d.h. es dringt von dem Gesprochenen nichts nach Außen. Die Tätigkeit in den PSHG ist nicht auf Gewinn gerichtet, die Mitarbeit erfolgt ehrenamtlich. Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist vollkommen freiwillig und steht allen – Betroffenen, Angehörigen und Interessierten – offen.
Die Ziele der Selbsthilfegruppe sind:
1.) Information über die Erkrankung, die über die primäre Aufklärung durch den behandelnden Arzt hinausgeht. Mittels Vorträgen von zu Gruppentreffen eingeladenen Ärzten, Vertretern der Pflegeberufe und Therapeuten sowie mittels Informationsmaterial auf dem Bücher- und Broschürentisch. Nicht selten werden Gruppenmitglieder zu Experten in eigener Sache – was heute bisweilen noch zu Spannungen im Arzt-Patientenverhältnis führen kann. Der medizinisch halbgebildete Laie ist mit seinen kritischen Rückfragen eventuell anfangs ein zeitaufwendiger Patient, aber die Einbeziehung des Erfahrungswissens des Patienten, das Gespräch mit dem Patienten und die Annahme der Unterstützung der SH verändert die Arzt-Patienten-Beziehung rasch positiv und stärkt das Vertrauen des Patienten im Sinne einer Patientenorientiertheit seiner Behandlung,
2.) Neben der Information ist der Erfahrungsaustausch mit ebenfalls Betroffenen und Angehörigen ein weiterer wichtiger Punkt in der Selbsthilfe. Es wird vermittelt: SIE SIND MIT IHREM SCHICKSAL NICHT ALLEINE !! Die Selbsthilfe will Angst nehmen und Mut machen !
3.) Weiters soll Spaß und Entspannung beim geselligen Zusammensein mit Betroffenen und Angehörigen im Vordergrund stehen. Neben den Gruppentreffen werden Ausflüge, gemeinsame Unternehmungen, Teilnahme an Gymnastikgruppen, Wandergruppen, Schwimmgruppen, Tanzgruppen, ... angeboten.
•Es wird die Eigeninitiative unterstützt und es werden geistige und seelische Kräfte mobilisiert, um die richtige Einstellung zur Krankheit zu finden. Die Selbsthilfe will dem Betroffenen helfen, mit seiner Krankheit zu leben ! •Große Bedeutung hat auch die Miteinbeziehung und Beratung von Angehörigen – der am wenigsten beachteten, aber mit der Erkrankung des Partners ebenfalls ``betroffenen`` Personengruppe.
Zusammenfassend: Zur Erhaltung der bestmöglichen Lebensqualität des Erkrankten sind die optimale medikamentöse Einstellung, die Inanspruchnahme von Begleittherapien und ein unterstützendes soziales Umfeld nötig.
•Betroffener, Angehörige, betreuender Arzt (FA,PA), Therapeuten und das weitere soziale Umfeld sind als eine Einheit zu sehen.
•Die Selbsthilfe arbeitet in diesem Umfeld mit und ermöglicht es dem Patienten und seinen Angehörigen sich, mit über die primäre Aufklärung hinausgehende Information und Erfahrungsaustausch, dem Gespräch in der Gruppe, der Erkrankung zu stellen und mit ihr zu leben.
•Es wird wertvolle, ergänzende Arbeit bei der psychosozialen Stabilisierung und Unterstützung der Betroffenen geleistet.
Was bedeutet die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe für den betreuenden Arzt?
Die ärztliche Betreuung wird durch die praktische und psychosoziale Unterstützung der Selbsthilfe ergänzt, die Arzt-Patienten-Beziehung verändert sich positiv. Die Miteinbeziehung des Erfahrungswissens des Betroffenen erweitert die fachliche Kompetenz aller Beteiligten und das Eingehen auf persönliche Probleme beider Seiten unterstreicht Patientenorientiertheit und den ganzheitlichen Heilungsansatz bei der Versorgung der Patienten. Es wird ein besseres Behandlungs- und Therapieverständnis beim Betroffenen erreicht, es verbessert sich die Compliance. Compliance: Therapietreue - auf den Patienten bezogen bedeutet der Begriff, die Bereitschaft, den ärztlichen Anweisungen zu folgen. Adherence: Um die Compliance zu erhöhen liegt es am Arzt, auf die Wünsche und persönlichen Lebensumstände des Patienten im Zuge der Therapie einzugehen. Dieses zweite Bedeutungsfeld, nämlich das Kriterium einer Selbstbestimmung des Patienten im Einklang mit dem Arzt, soll stärker fokussiert werden - diese zusätzliche Bedeutungsebene spiegelt der Begriff Adherence wieder, der den bisher gängigen Terminus Compliance allmählich ersetzt.
Ein nicht unwesentlicher Faktor, der trotz Beteuerungen von allen Seiten, er dürfe keine Rolle bei der medizinischen Versorgung spielen, ist ebenfalls gegeben: Die Miteinbeziehung der Angehörigen über die Selbsthilfe führt zu einer spürbaren Entlastung sowohl im niedergelassenen Bereich als auch des jeweiligen Krankenhauses oder der Spezialambulanz der Fachabteilung – einer Entlastung, die sich auch deutlich im wirtschaftlichen Bereich niederschlägt.
Ich darf nocheinmal wiederholen: Erst die über die primäre Aufklärung hinausgehende Information und der Erfahrungsaustausch in der Selbsthilfe und die Miteinbeziehung dieses Erfahrungswissens von Betroffenen und Angehörigen in das Patient-Arzt-Gespräch gibt allen die nötige Kompetenz um in gleicher Augenhöhe miteinander zu sprechen, um beiderseitige, auch persönliche Probleme besprechen zu können – um Narrative Medizin = sprechende Medizin zu leben.
Die Annahme der Unterstützung durch die Selbsthilfe gereicht allen Beteiligten zum Vorteil. Ebner 7-11
Ich darf nocheinmal wiederholen: Erst die über die primäre Aufklärung hinausgehende Information und der Erfahrungsaustausch in der Selbsthilfe und die Miteinbeziehung dieses Erfahrungswissens von Betroffenen und Angehörigen in das Patient-Arzt-Gespräch gibt allen die nötige Kompetenz um in gleicher Augenhöhe miteinander zu sprechen, um beiderseitige, auch persönliche Probleme besprechen zu können – um Narrative Medizin = sprechende Medizin zu leben.
Die Worte von Dr. Johann Ebner (joe). und in Villach wäre die Möglichkeit dies umzusetzen- so hoffe ich jedenfallsJahrestagung der Österreichischen Parkinsongesellschaft 13.-15. Oktober 2011, Villach